Corona Edition II | «Metamorphose»
200g
Zwischen Mitte März und Mitte Mai 2022 erlebten wir den sogenannten Lockdown in der Schweiz und in Europa. In dieser ausserordentlichen Zeit schien alles stehengeblieben zu sein. Geschäfte und Restaurants blieben geschlossen und die Menschen sollten zu Hause bleiben. Der Lockdown wurde als «wirtschaftlicher Stilstand» bezeichnet.
Während diesem «Stillstand» ging ich häufig spazieren, was ich gewöhnlich nicht machen würde, weil ich im Shui Tang-Teehaus stehe. Im Freien beobachtete ich, wie der Frühling näher schritt. Die Insekten flogen, die Vögel zwitscherten und die Bienen arbeiteten. Die Bäume sprossen, die Blumen blühten und die Gräser wuchsen. Wohin ich sah, war kein Stillstand. Alles entfaltete sich zur rechten Zeit und am rechten Ort! Den Stillstand gab es nur in Medien, in unseren Vorstellungen und im Cyberspace!
Heute sieht die Welt anders aus. Nach zwei Jahren Pandemie wollen alle Menschen das gewohnte Leben zurück und im gleichen Lebensstil weiterleben.
Ist alles so wie vor der Pandemie? Oder wurde etwas zurückgelassen?
Wenn man den Lockdown als Stillstand betrachten möchte, ist das Leben im Jahr 2022 wie eine Fortsetzung. Aber war es ein Stillstand? Oder war es ein Übergang? Ein Tunnel? Eine Brücke? Sollte es gar keine Fortsetzung sein, sondern vielmehr ein Neuanfang oder gar eine Neugeburt?
Meiner Seele schenkte die Pandemie einen Raum um zu ruhen, obwohl der Lockdown meine Bewegungsfreiheit einschränkte. Durch die Langsamkeit konnte ich reflektieren, was die schnelle Bewegung mit mir macht, während die alltägliche Arbeit mich beansprucht. Der Kopf ist so voll, dass ich nur auf andere Menschen und Ereignisse reagiere. Das Nur-Reagieren-Können auf die Aussenwelt hemmt die Entwicklung des Ich. Mein vollgestopfter Kopf und mein müder Körper kann nichts Neues aufnehmen oder über sich selbst nachdenken. Emotionen steigen auf und schwemmen mich durch den Alltag.
Diese letzten zwei Jahre waren für mich wie ein Tunnel, wo ich in der Dunkelheit Schritt für Schritt einen neuen Kompass für meine Seele wiederfand und Ballast abwerfen konnte. Mit dem langsam entleerten Rucksack lernte ich, die Welt neu zu betrachten und mit leichten Schritten in die Zukunft zu gehen.
Vor zwei Jahren hatte ich die Idee, einen besonderen Tee produzieren zu lassen für diese ausserordentliche Phase im Leben der Menschen, wie es die Pandemie war. Eine Pest, die die moderne, hoch technisierte Gesellschaft zum vermeintlichen Stillstand bringt, sollte in Erinnerung bleiben: Als Warnzeichen dafür, dass nichts unverwundbar ist, um zu realisieren, dass wir Lebewesen sind, nicht Gott. Als Chance, zu begreifen, dass Verzicht eine Chance ist, um weiterzukommen. Nach zwei Jahren möchte ich diese Idee neu beleben und den gleichen Tee aus dem gleichen Ort produzieren zu lassen. Ein späterer Jahrgang von Daxueshan Yesheng Gushu Pu Erh könnte uns wieder den erwarteten Geschmack schenken oder eher eine Überraschung, weil die Natur nie auf Menschen wartet. Die Natur hat seine eigene Uhr.
Die Pfirsichblüte und der Pfirsichbaum sind kulturelle Symbole der chinesischen Kultur. Die Pfirsichblüte bedeutet Eros – ein Aspekt der Verbindung zu anderen Menschen. Dass die Pfirsichblüten vereinzelt blühen, anstatt in Zweigen voller Blütenbündeln, wie zum Beispiel Kirschblüten oder Aprikosenblüten, signalisiert die Unabhängigkeit und Individualität, eine freie Verbindung zwischen Menschen, in der Respekt und Freiheit im Vordergrund stehen. In der Shi-Jing-Aera vor 3000 Jahren (11. Jh.-6. Jh. v. Chr.) sang man Lieder über Pfirsichblüten für die geliebten Personen. In «The Peach Blossom Spring» erzählt Dichter Tao Yuanming eine Utopie: Der Pfirsichblütenwald ist im Taoismus ein Symbol eines Ortes, wo Aufrichtigkeit herrscht und der Teufel vertrieben werden kann. Darum wird Pfirsichholz für das taoistische Ritual verwendet: um die höchste Kraft der Erde zu symbolisieren. Pfirsichblüten sind ausserordentliche Blumen.
Simon Trüb nahm den Auftrag wieder an und gestaltete ein facettenreiches Bild. Ein blühender Pfirsichzweig wird von Raupen besucht, die nichts Anderes machen als sich zu «entwickeln»! Während des vermeintlichen Stillstands arbeitet die Natur weiter. Aus den Raupen werden Schmetterlinge entstehen! Und in diesem idyllischen Bild gibt es doch eine verwelkte Blüte, deren Blütenblätter zerfallen. Ein Corona-Virus wird sichtbar. Raupen, Blütenblätter und Viren gehören zur Natur. Die Schmetterlinge verkünden die lebensfreudige Zukunft. Ein Tanz mit dem Wind im Blütenmeer.
Daxueshan Yesheng Gushu Pu Er ist ein Pu Erh Tee, dessen über dreihundert Jahre alten Bäume auf einer Höhe von über 3’000 Metern über dem Meeresspiegel wachsen. Diese Pflanzen sind nicht kultiviert, sie sind generisch «wild» – sie gehören nicht zur Gattung der Camellia Sinensis Assamica. Diesen Tee kann man jetzt trinken oder ihn nach der chinesischen Tradition lagern. Während der Reifung befindet sich der Tee wie in einem Tunnel. Er tut nichts, als sich zu entwickeln. Nach der Reifung offenbart er einen neuen, unentdeckten Aspekt - wie eine vermeintliche Krise, nach der das Ich mit Distanz zu lesen ist.
Verfügbare Einheiten: 100g und 200g